Kirche St. Stefan in Friedberg-Süd

Die kleine Kirche St. Stephan befindet sich im heutigen Friedberg-Süd, in der Stefanstraße. Die Entstehungszeit der Stepahanskirchen liegt etwa im letzten Drittel des 8. und in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. In dieser Zeit sind wohl auch die Stephanskirchen in Kissing, Gallenbach, Obergriesbach und Steindorf entstanden, ebenso die Filialkirchen in Tegernbach, Wiffertshausen und Mezenried. Auch die Kapellen in Rehling und Pfaffenzell sind dieser Zeit zuzuordnen.
Der heilige Stephanus gehörte zu den im Mittelalter am meisten verehrten Märtyrer und gilt als einer der Urpatrone unserer Gegend. Sein Name ist bereits in der ältesten erhaltenen Litanei erwähnt. Der Kult dieses Heiligen wurde von Bischof Ulrich gefördert. Der heilige Stephanus ging als erster Zeuge für Christus in den Tod. Deshalb gibt man ihm auch den Beinamen Protomartyr oder Erzmärtyrer. Gefeiert wird er am 26. Dezember. In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass Stephanus, der als erster zusammen mit 6 anderen zum Diakon geweiht wurde, durch seine Predigten überzeugte, viele bekehrte und sich der Armen besonders annahm. Wohl deshalb wurde diese Kapelle der Ausgestoßenen und Armen nach dem Heiligen benannt. Darauf weist auch die Inschrift hin, die an der Westseite der Kirche zu finden ist:

„Dem Allmächtigen Gott zum Lob,
dem hl. Stephan zu Ehren,
den Armen Seelen zum Trost.“

Wegen Gotteslästerung wurde Stephanus zur Steinigung  verurteilt. Da er den Himmel offen sah, kniete er nieder und vergab seinen Widersachern. Auf dem Hochaltarbild der Kirche ist diese Szene dargestellt. Um die Wiederfindung, Erhebung und Überführung der Gebeine des Stephanus entstanden Legenden: der Priester Lucianus erkannte um 417 an einem goldenen Korb mit Rosen die Gebeine des heiligen Stephanus. Lucianus und die Bischöfe bestatteten ihn in der Zionskirche. Ein Senator ließ sich neben Stephanus beerdigen. Die Särge wurden jedoch von seiner Witwe verwechselt, und so nahm sie den Sarg des Heiligen mit nach Konstantinopel. Die Gebeine wurden im Jahre 425 nach Rom überführt und in der Krypta S. Lorenzo fuori neben Laurentius bestattet. Beide wurden zu Stadtpatronen Roms.

Heilige Messen

Urkundlich festgelegt musste schon im 15. Jahrhundert der Benefiziat einmal wöchentlich eine Messe in der Kapelle des hl. Stephanus lesen. Diese Messe wurde gefeiert für das Seelenheil der im benachbarten Leprosenhaus Verstorbenen und weil die Aussätzigen den allgemeinen Gottesdienst in der Pfarrkirche nicht besuchen durften. Auch das 1753 errichtete „Armen Seelen Bündnis“ legte eine Messe pro Woche fest. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erhöhte sich deren Zahl auf zwei bis drei. Heute feiern wir jeden Sonntag um 10.15 Uhr Gottesdienst. Auch für Taufen und Hochzeiten wird diese Kirche häufig ausgewählt.

Bestattungen

Der Gottesacker um St. Stephan diente als Begräbnisstätte für die  im nahen Leprosenhaus Verstorbenen, später wurden auch die Opfer der Pest sowie alle Friedberger, die in dem städtischen Friedhof um St. Jakob keine Begräbnisstätte hatten – ledige Personen ohne Familie, ärmere Menschen, einfache Handwerker und Tagelöhner, Fremde und Hingerichtete. Laut Sterberegister des 18. Jahrhunderts  wurde eine große Anzahl von Toten bei St. Stephan bestattet. 40 bis 50 Prozent der Friedberger fanden hier ihre letzte Ruhestätte. In Kriegszeitern wurden mehr als doppelt soviele Menschen bei St. Stephan als bei St. Jakob beerdigt. Viele heute berühmte zugezogene Künstler und Handwerker wurden bei St. Stephan beigesetzt: z.B. der Bildhauer Bartholomäus Öberl, der Maler Johann Kaspar Menrad, die Goldschmiedin Gertrud Mosmayr und die Uhrmacherin Maria Strixner.

Neubau

Im Jahre 1697 wurde ein Kirchenneubau begonnen, der schon ein Jahr später fertiggestellt wurde. Daran erinnert eine ovale Gedenktafel unter der Emporentreppe, an der Westwand im Kircheninnern:

Dem Almechtigen Gott
zu Lob Dem H: Stephan Zu Ehren,
Denm Armen Seellen Zu Trost ist Dise
Kirchen von Neuen Erbauet Und
Sambt Dem Altar Geweicht
Warten in Dem Jahr 1698

Im Gegensatz zum vorherigen Bau hat die neue Kirche keinen  eigenen Kirchturm mehr,  sondern auf dem westlichen Ende des Satteldachs der Kirche sitzt ein zierlicher Dachreiter. Im Westen der Kirche ist ein kleines Mesnerhaus angebaut. Das Gebäude ist schlicht, rechteckig mit halbrundem Chorabschluss. Es ist vermutlich nicht viel größer als die Vorgängerkirche und hat wie diese  je drei Fenster an den Seiten. Die kleine Empore an der Westseite wird von zwei Säulen getragen. Pilaster gliedern die Wände. Die Decke ist flach und mit prächtigem Stuck versehen. Die großartige Stuckarbeit wird dem Wessobrunner Stuckateur Johann Schmuzer (1642 – 1701) zugeschrieben. Vier Medaillons an der Decke zeigen Szenen aus dem Alten Testament, die auf den kommenden Heiland hinweisen: David besiegt Goliath; Jonas wird vom Meerungeheuer an Land gespieen; Somson hat die Torflügel der Stadt Gaza aus den Angeln gehoben und trägt sie auf den Berg; Daniel in der Löwengrube. Dazwischen in der Deckenmitte ist der auferstandene Christus gemalt. Unter ihm und von ihm besieg,t Tod und Teufel. Im Sturz versuchen sie den Globus festzuhalten, um den sich eine Schlange windet. Diese wunderschönen Fresken hat am ehesten Johann Kaspar Menrad gemalt. Der oft zusammen mit ihm tätige Bartholomäus Öberl wird als Verfertiger der schönen Kirchenstuhlwangen angesehen.

Der Hochaltar ist schwarz gefasst, wie es dem Stil der Zeit entsprach. An den Seiten des Altarblatts befinden sich zwei Pilaster, denen je eine Säule vorgesetzt ist. Darauf sind zwei Engelsfiguren angebracht. Das Hochaltargemälde hat Johann Rieger (1655 – 1730) angefertigt, der 1710 – 1730  Direktor der reichsstädtischen Kunstakademie in Augsburg war.

Auch bemerkenswerte Plastiken aus dem 18. Jahrhundert schmücken die Kirche: rechts vom Hochaltar der hl. Franziskus, links der hl. Antonius, gegenüber der Kanzel ein Kruzifix mit Mater dolorosa und rechts vom Sakristeieingang ein Jesus in der Rast, ein  „Ruherrle“. Diese Plastik ist 1735 zu „Fridberg“ datiert und stammt entweder von Bartholomäus Öberl oder von seinem Sohn Johann Kaspar. Die Muttergottesfigur auf der gegenüberliegenden Seite links, ist etwas jünger und stammt von dem Friedberger Schnitzer Friedolin Mayer.

Nach der Broschüre “550 Jahre Stephanskirche in Friedberg”
von Gabriele und Dr. Hubert Raab

Adresse

Stefanstraße 22
86316 Friedberg