Die Zeit des leeren Stuhls hat begonnen

Nicolas Schnall / pba

Der Bischöfliche Stuhl von Augsburg ist vakant. Damit ist gemeint, dass das Bistum Augsburg zurzeit keinen Bischof hat. Eine andere Bezeichnung für diese bischofslose Zeit ist „Sedisvakanz“, von sedes (Stuhl) und vacantia (leer sein, frei sein). Mit „Stuhl“ ist die Kathedra in der Kathedrale, die Bischofskirche, gemeint. In der Antike ist die Kathedra das Zeichen der Amtsvollmacht eines öffentlichen Amtsträgers, in der Kirche der Lehrstuhl, der symbolischen Sitz des Bischof, der seine Leitungs- und Lehrvollmacht bezeichnet.
Der bisherige Inhaber des Bischofssitzes von Augsburg, Dr. Konrad Zarsa, wurde am 7. Juni 75 Jahre alt. Das kirchliche Recht sieht vor, dass er dann dem Papst den Amtsverzicht anbietet. Dies hat Bischof Konrad getan.

Am 4. Juli 2019 um 12 Uhr mittags wurde im Vatikan und gleichzeitig in Augsburg bekanntgeben, dass der Papst den Amtsverzicht angenommen habe. Damit verliert der Diözesanbischof alle Leitungsgewalt in seiner Diözese. Er bleibt natürlich Bischof, denn dies wurde er durch die sakramentale Weihe. In Bezug auf unser Bistum ist Bischof Konrad jetzt Bischof emeritus von Augsburg.

Mit dem Amtsverzicht des Bischofs hören auch die Ämter des Generalvikars und der Bischofsvikare auf zu existieren. Weihbischöfe, die Bischofsvikare sind, behalten ihre Rechte und Pflichten. Auch der Priesterrat, das beratende Gremium des Bischofs mit gewählten Repräsentanten der Priester im Bistum, zum Beispiel hört auf zu existieren.

Die Leitung des Bistums geht im Moment des Amtsverzichts auf den dienstältesten Weihbischof (im Kirchenrecht offiziell Auxiliarbischof, also Hilfsbischof genannt) über. Seine Kompetenzen aber sind nicht so umfangreich wie die des Diözesanbischofs. Die Hauptaufgabe dieses „Leiters“ ist die Einberufung des Konsultorengremiums (in Deutschland das Domkapitel) zur Wahl eines Diözesanadministrators, die innerhalb von 7 Tagen geschehen muss. Der dienstälteste Auxiliarbischof ist Dr. Dr. Anton Losinger.

Das Domkapitel hat am 8. Juli den Domprobst Prälat Dr. Bertram Meier zum Diözesanadministrator gewählt. Mit der Annahme der Wahl erhielt er alle Rechte und Pflichten eines Diözesanbsichofs. Jedoch schreibt c. 428 §1 CIC des Kirchenrechts kurz und bündig: „Während der Sedisvakanz darf nichts verändert werden“. Damit ist die „Zeit des leeren Stuhls“, die Sedisvakanz, eine Zeit des Wartens und der Besinnung.

Die Bischofskongregation in Rom, unterstützt vom Nuntius in Berlin, eruiert, wer neuer Bischof von Augsburg werden kann. Die formalen Anforderungen an einen Bischof sind nach c. 378 CIC „daß der Betreffende sich auszeichnet durch festen Glauben, gute Sitten, Frömmigkeit, Seeleneifer, Lebensweisheit, Klugheit sowie menschliche Tugenden und die übrigen Eigenschaften besitzt, die ihn für die Wahrnehmung des Amtes, um das es geht, geeignet machen; einen guten Ruf hat; wenigstens 35 Jahre alt ist; wenigstens seit fünf Jahren Priester ist; den Doktorgrad oder wenigstens den Grad des Lizentiaten in der Heiligen Schrift, in der Theologie oder im kanonischen Recht an einer vom Apostolischen Stuhl anerkannten Hochschuleinrichtung erworben hat oder wenigstens in diesen Disziplinen wirklich erfahren ist.“
Die Kongregation bereitet dem Papst Vorschläge für geeignete Kandidaten vor. Der Papst entscheidet dann frei über den Nachfolger von Bischof em. Konrad Zdarsa. Bevor aber der Name des Erwählten veröffentlicht werden kann, wird die Bayerische Staatsregierung befragt, ob Einwände politischer Art gegen den Kandidaten bestehen.

In der Regel dauert die Sedisvakanz zwischen vier und zwölf Monate. Sie kann eine Zeit der Besinnung werden. Eine Zeit, in der sich Pfarreien, Gläubige, Priester, Administration fragen, was das Prägende der letzten Amtszeit war, was lief gut, was nicht? Wo liegen die Herausforderungen in den nächsten Jahren? Mit welchen Erwartungen begegnen wir dem neuen Bischof von Augsburg?

Wir erleben in unserer Kirche eine Zeit der Wende. Manche sprechen von einer „Epochenwende“ (Kardinal Marx). Papst Franziskus schreibt in seinem Brief an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschland“, dass wir uns von innen heraus erneuern müssen, dass gerade unsere Gemeinden eine Heimsuchung durch den Herrn bedürfen. Aber nicht nur unsere Gemeinden, auch die Strukturen unseres Bistums, die Verwaltung und die Leitung. Wir bedürfen alle einer Erneuerung im Geist Christi.

Nehmen wir diese Zeit des Wartens, diese Zeit, in der sich nichts verändern soll, die Sedisvakanz, um zu uns selbst zu kommen, um neu Christus und sein Evangelium zu entdecken. Nehmen wir diese Zeit als eine Zeit des Gebets.

Herr Jesus Christus, du Hirte deiner Kirche, sieh auf die Herde deiner Gläubigen im Bistum Augsburg und in unserer Gemeinde St. Jakob, die zu dir in Zeiten ruft, da wir neue Wege gehen müssen.
Zeige du uns neue Möglichkeiten, wie wir unseren Glauben leben sollen.
Gib uns auf die Fürsprache des heiligen Bischofs Ulrich wieder einen guten Bischof für unser Bistum.
Erfülle auf die Fürsprache der heiligen Afra alle Getauften mit Eifer, damit wir, deinem Vorbild folgend, unseren Platz an der Seite der Armen, der am Rand Stehenden, der Kranken, Alten und Schwachen erkennen.
Hilf uns auf die Fürsprache des heiligen Bischofs Simpert, dass wir deine Botschaft verkünden und gemeinsam das Evangelium in Gebet und Tat leben.
Zu unserem eigenen Heil und zum Heil unserer Mitmenschen.
Amen.