Papst Franziskus öffnet die Heilige Pforte

Das Heilige Jahr 2025 hat begonnen

Die schwere Bronzetür am Petersdom in Rom ist gewöhnlich nicht nur verschlossen, sondern auch zugemauert. Sie wird nur in einem Heiligen Jahr geöffnet, das regelmäßig alle 25 Jahre begangen wird.

An Heiligabend 2024 öffnete Papst Franziskus symbolisch diese Heilige Pforte und betrat, im Rollstuhl sitzend, die Basilika. Damit begann das Heilige Jahr 2025.

»Pilger der Hoffnung« sein und neu beginnen

Ein Neuanfang. Wer sehnt sich nicht hin und wieder danach? Das Alte abschließen, Fehler hinter sich lassen und das Leben neu in Einklang mit Gott, den Mitmenschen und sich selbst bringen. Leider kann man im Leben nicht einfach eine Reset-Taste drücken und alles springt in die Werkseinstellung zurück.

Obwohl uns das Heilige Jahr 2025 zu so etwas Ähnlichem einladen will, denn es möchte zu einem Jahr der Erneuerung für die Kirche im Ganzen und für jeden und jede von uns ganz persönlich werden.

 

Das biblische Fundament und die Geschichte

Das Heilige Jahr hat seine Wurzeln im alttestamentlichen Jubeljahr, wie es im Buch Levitikus (Kapitel 25) beschrieben wird. Alle 50 Jahre feierten die Menschen in Israel ein besonderes Jahr: ein Jahr der Freiheit und des Friedens, der Ruhe und der Rückbesinnung. Sklaven wurden freigekauft, Schulden erlassen und das Land durfte sich erholen. Es war eine Zeit, die daran erinnerte, dass alles letztlich von Gott kommt und es die Menschen seiner Gnade verdanken, was sie sind und haben. Im Jubeljahr galt es, die eigenen Maßstäbe zu reflektieren, die Lebensführung zu überprüfen und sich erneut Gott zuzuwenden und einer sozial gerechten Gesellschaftsordnung Vorschub zu leisten. Diese Ideen prägen bis heute ein Heiliges Jahr.

Das erste christliche Heilige Jahr wurde 1300 gefeiert. Papst Bonifaz VIII. erinnerte in seiner Bulle „Antiquorum habet fida relatio“ (Ein glaubwürdiger Bericht der Alten) vom 22. Februar 1300 an das jüdische Jubel- und Erlassjahr und legte fest: Es wird „von nun an für die Christenheit alle 100 Jahre ein Jubeljahr geben, ein Jahr der Versöhnung mit Gott und allen Menschen, ein Jahr, das Gnadenjahr genannt werden soll.“  Seit 1475 wird alle 25 Jahre ein Heiliges Jahr begangen, damit jede Generation eines erleben darf. 

Mit der Bulle „Spes non confundit“ (Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen) vom 9. Mai 2024 rief Papst Franziskus das 27. ordentliche Heilige Jahr für 2025 aus.

Neben den ordentlichen Heiligen Jahren gab es bisher auch 18 außerordentliche, die in der Regel aus einem bestimmten Anlass ausgerufen werden. Das letzte außerordentliche Heilige Jahr fand 2016 als „Heiliges Jahr der Barmherzigkeit“ anläßlich des 50. Jahrestags des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils statt.

Das Heilige Jahr ist bis heute von seinen jüdischen Wurzeln als Erlassjahr geprägt. Es ist ein Jahr zur persönlichen Umkehr und Schuldbewältigung. Es ist aber auch der Aufruf zur Umsetzung einer sozial gerechten Gesellschaftsform, zum weltweiten Frieden sowie zur Entschuldung der ärmsten Länder unserer Erde.

Auch wenn vieles vom Heiligen Jahr wohl nur ein Appell bleiben wird, wie etwa der Aufruf von Papst Franziskus zu Frieden und Gerechtigkeit, dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich unsere Welt zum Besseren wandeln kann. Vielleicht hat Franziskus gerade deshalb die Hoffnung so sehr in den Fokus des aktuellen Heiligen Jahres gestellt.

 

Pilger der Hoffnung

Papst Franziskus hat das Heilige Jahr 2025 unter das Motto Pilger der Hoffnunggestellt und lädt uns ein, die Hoffnung neu zu entdecken. Dafür gibt er uns vier Leitbegriffe mit auf den Weg:

Umkehr
Wo brauchen wir als Gemeinde/ wo brauche ich persönlich einen Neuanfang? Was soll oder kann so nicht mehr weitergehen? Für was oder wen brauchen wir eine neue Offenheit?

Erneuerung
Was ist in unserer Gemeinde/ bei mir selbst in die Jahre gekommen, vom Anliegen her gut, aber hat den Schwung verloren, ist unattraktiv und evtl. nicht mehr zeitgemäß? Wo ist etwas schon längst überfällig, aber es fehlt z. B. am Mut oder am Gottvertrauen, es neu zu machen?

Gemeinschaft
Wie k
önnen wir in unserer Gemeinde und auch bei mir persönlich das Interesse an den anderen wieder entfachen? Ein gemeinsames Verständnis entwickeln, dass wir als Christinnen und Christen zusammen leben, glauben und wachsen sollen und dass Anteilnahme die Basis jeder Gemeinschaft ist?

Soziales Handeln
Was können wir als Gemeinde und ich persönlich tun, damit sich alle Gruppen und Milieus in unserer Pfarrei willkommen fühlen und Heimat finden können? Wo müssen wir neu sehen lernen, damit wir auch versteckte Not in unserer Stadt erkennen und bereit sind zu helfen? Was heißt das für uns als Gemeinde und für mich persönlich ganz konkret, wenn der Papst uns motiviert, an die Ränderzu gehen? Was heißt für uns Engagement für Recht und Gerechtigkeit, so wie Jesus es fordert?

Den Ablass wieder verstehen

Das Heilige Jahr ist eng mit dem Begriff „Ablass“ verbunden – eine Bezeichnung, die heutzutage erklärungsbedürftig ist.

Grundsätzlich geht die Ablasslehre davon aus, dass man bei der Sünde die Schuld und die Strafe je eigens betrachten muss. Die Vergebung der „Schuld“ geschieht im Sakrament der Versöhnung, in der Eucharistie oder wann immer Gottes Barmherzigkeit uns unsere Schuld vergibt. Die „Strafe“ ist das, was die Sünde auslöst, sozusagen Resultat der Sünde. Eine Sünde ist eine Tat oder Haltung, die mich von Gott trennt bzw. weiter entfernt. Das bleibt nicht ohne Folgen. Meist hat die Sünde Auswirkungen auf mein Umfeld und meine Mitmenschen. Eine Folge der Sünde ist die Störung meiner Beziehung zu Gott, zu meinen Mitmenschen und meinem Umfeld. Das Wort „Strafe“ ist in diesem Zusammenhang nicht als „Bestrafung“ zu verstehen, sondern eben als „Folge“ bzw. „Konsequenz“.

Jetzt kann es sein, dass Gott die Schuld schon längst vergeben hat, die Folgen dieser Sünde („Sündenstrafe“) können aber immer noch in der Welt sein. Die tröstliche Aussage der Ablasslehre ist, dass nicht nur die Schuld, sondern auch die Auswirkungen der Sünde im Hier und Jetzt vergeben werden können – und zwar auch dann, wenn wir die Folgen gar nicht mehr beeinflussen können.

Da die Ablassgewährung von Seiten der Kirche neben der aufrichtigen Reue an ein Reihe weiterer Auflagen gebunden ist (im Heiligen Jahr das Durchschreiten einer Heiligen Pforte, Beichte, Kommunionempfang, Gebet im Anliegen des Papstes …), könnte man jetzt meinen, dass der Sünder die Gewährung des Ablasses selbst bewirken kann, indem er sich geradezu mechanisch nur an diese Vorgaben zu halten braucht. Wer diesen Schluss zieht, hat den Grundsatz des Ablasses nicht verstanden: Er ist immer freies, unverfügbares, unverdientes, barmherziges Gnadenhandeln Gottes. Der Sünder hat durch nichts, was er tun oder denken könnte, einen Anspruch auf Gottes Gnade, aber er kann sich durch ehrliche Reue etc. in einen Zustand der inneren Bereitschaft für das Gnadenhandeln Gottes, dieses wunderbare Geschenk der Erlösung und der Freiheit, bringen.

 

Eine Einladung an uns alle – auch an Sie!

So gesehen ist das Heilige Jahr 2025 eine große Chance, mein eigenes Leben wieder geradezuziehen. Es ist auch genau die richtige Zeit, neue Wege zu gehen, wenn uns die alten Wege nicht (mehr) näher zu Gott und zu den Menschen bringen. Und das Heilige Jahr ist eine Einladung an uns als Gemeinde, diese Zeit bewusst und aktiv zu gestalten. Der Papst geht in seinen vorbereitenden Schreiben zum Heiligen Jahr davon aus, dass die pastoralen Gremien, was bei uns der Pfarrgemeinderat ist, hier besonders aktiv werden und die Gläubigen bei ihrer „Pilgerschaft der Hoffnung“ anführen.

Machen wir uns als Gemeinde gemeinsam auf den Weg, werden wir „Pilger der Hoffnung”, dort wo wir sind, in unseren Familien, in unserer Pfarrei, in unserer Stadt – und damit auch in unserer Welt.  Was das konkret heißt, dies herauszufinden ist schon der erste Schritt auf dieser Pilgerschaft.

Pater Steffen Brühl SAC, Stadtpfarrer