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Namen, die fehlen
Der Volkstrauertag ist ein stiller Gedenktag – kein bequemer, aber ein notwendiger. Denn er führt uns dorthin, wo Geschichte weh tut.
Dem ersten Reflex des gleichgültigen „Was-geht-das-mich-heute-an“ dürfen wir nicht nachgeben. Der Volkstrauertag ruft uns ins Gedächtnis, was geschehen kann, wenn die Nation zum Götzen wird und Menschenverachtung regiert.
Am „Friedensplatz“ erinnert uns in unserer Stadt das „Mahnmal für die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt“ an die schwärzesten Kapitel unserer Geschichte. 540 Namen sind dort in Cortenstahl geschnitten – Friedbergerinnen und Friedberger, die in den Kriegen ihr Leben lassen mussten. Darüber steht: „Jeder Name eine Mahnung“.
Eine Mahnung an uns, die wir heute leben und die Verantwortung tragen, dass sich solches Leid nie wiederholt.
Auf den Tafeln des Mahnmals wurde Platz gelassen – weil noch Namen fehlen. Wie der des Friedbergers Georg Eberle, der 1940 in Haunstetten standrechtlich erschossen wurde – ein Unrechtsurteil, wie der Deutsche Bundestag 1998 feststellte.
Oder der des Pallottinerpaters Franz Reinisch, der ab 1933 in Friedberg als Jugendseelsorger wirkte. Er erhielt ein Predigt- und Redeverbot, weil er die Unvereinbarkeit von christlichem Glauben und nationalsozialistischer Ideologie offen aussprach. Aus Gewissensgründen verweigerte er schließlich den Treueeid auf Hitler – und wurde 1942 hingerichtet. Auch diese Namen sind uns Mahnung. Sie gehören auf die Tafeln unseres Mahnmals.
Sie zeigen, wie schnell Menschen ihrer Würde beraubt, als sogenannte „Volksschädlinge“ diffamiert und im wahrsten Sinne des Wortes zum Abschuss freigegeben werden können. Und sie zeigen, dass es Menschen gab, die ihrem Gewissen folgten – auch als es gefährlich wurde. Menschen, die nicht einknickten und mit ihrem Leben bezahlten.
Ihr Lebenszeugnis bleibt uns Vermächtnis und Auftrag zugleich.
Frieden wächst, wo Menschen nicht schweigen, wenn Hass laut wird. Wo Würde mehr zählt als Herkunft. Wo Glaube Liebe und Freiheit bedeutet. Und wo eine Gesellschaft die Schwächeren schützt und nicht zum Sündenbock macht.
Der „Friedensplatz“ mit seinem Mahnmal ist gerade jetzt ein ganz wichtiger Ort unserer Stadt. Hier hat die Erinnerung ihren dauerhaften Raum gefunden – mitten in unserer Stadtgesellschaft. Und Erinnerung ist heute nötiger denn je, damit wir davor bewahrt bleiben, die Katastrophe der Vergangenheit zu wiederholen.
Doch wir dürfen uns nichts vormachen: Ein Mahnmal allein genügt nicht. Es braucht das gemeinsame Handeln der Vielen.
Auch in Friedberg muss klar sein: Wer mit dem Verbrecherregime der Nazis sympathisiert, es heute noch oder wieder glorifiziert, wer sich in die geistige Nachfolge jener Mörder und Verbrecher stellt oder unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung angreift, muss mit dem Widerstand der Anständigen rechnen.
„Nie wieder“ ist keine Parole. Es ist die schmerzliche Erkenntnis, dass es unsere Verantwortung ist, nie wieder Faschismus in unserem Land zu dulden – egal, in welcher Gestalt er auftritt, mit welchen Worten er sich tarnt, wie sehr er sich als Alternative preist und wie viel Kreide seine Rädelsführer auch gefressen haben.
Wir dürfen nicht auf die scheinbare Logik der Faschisten und Feinde der Demokratie hereinfallen. Das sind wir den rund 20 Millionen getöteten Opfern des Nationalsozialismus schuldig – und den Friedbergern, deren Namen uns auf den Cortenstahl-Tafeln mahnen.
