Historisch? Satirisch? Legendär!
„Unschuldig!“ – Ein Archivfund erzählt
Nachlese zur »Friedberger Zeit«: Was der „Friedberger Stadt-Anzeiger“ von der Bäckertaufe des Stadtpfarrers berichtete – und was man heute dazu sagen kann.
Ein Fund aus staubiger Schublade
Friedberg hat viele Geschichten. Manche sind alt. Manche sind neu. Und manche sind beides – je nachdem, wie man sie erzählt.
Im Zuge der Nachlese zur diesjährigen »Friedberger Zeit« stießen wir in den tieferen Schubladen des Stadtpfarramtes auf ein bemerkenswertes Dokument: eine Ausgabe des legendären „Friedberger Stadt-Anzeigers – Wöchentliches Intelligenz- und Nachrichtenblatt“, datiert auf den Sonntag nach dem fünften Julitag in der Friedberger Zeit. Ein Werk voll barocker Sprachkunst, dramatischer Wendungen – und einer gewissen Leidenschaft für die Wahrheit. Oder wenigstens für eine gute Geschichte.
Der Stadtpfarrer auf dem Schandkarren?
Der Anlass: die Bäckertaufe von Pater Steffen Brühl. Der Stadtpfarrer sei, so heißt es in der zeitgenössischen Quelle, „arglos an der Jakobsschänke weilend“, von Ministranten umringt und vom Volk geschätzt, plötzlich durch die Stadtwache verhaftet und auf den Schandkarren gesetzt worden. Die Kinder hätten gerufen: „Nicht mit uns!“, das Volk skandiert: „Unschuldig!“, der Rentmeister tobe, der Papst interveniere, ein Herold galoppiere, und am Ende öffne sich gar ein Fenster des Rathauses, aus dem ein Leinentuch mit der Aufschrift „Päpstliche Verfügung – Freiheit für Pater Brühl“ entrollt wird.
Man kommt aus dem Staunen kaum heraus.
Spenden, Spott und ein päpstliches Tuch
Doch lassen wir den Stadt-Anzeiger selbst sprechen. Man liest dort von einem „Zug durch die Straßen der Stadt“, bei dem der Ruf „Unschuldig!“ von „Bäckern und Metzgern, von Mägden und Ratsherren“ erschallt sei. Weiter heißt es, der Pfarrer sei angeklagt worden, weil er das Volk „immer und immer wieder zu Spenden aufrief“ – zur Erhaltung von Kunstwerken, zur Unterstützung der Armen und „zur gesellschaftlichen Teilhabe auch jener, deren Geldbeutel nicht barock gefüllt ist“.
Die Quelle urteilt:
„Wie schon einst, so gereichen auch diesmal die Anklagen dem Pfarrer mehr zur Ehre als zum Tadel.“
Was wirklich geschah – und was vielleicht
Was davon wirklich geschah? Nun, historisch belegt ist: Der Stadtpfarrer wurde – wie es guter Brauch ist – auch diesmal der Bäckertaufe zugeführt. Neu war diesmal, dass es zu einem öffentlichen Prozess kam. Dafür war eigens aus München der Rentmeister angereist, denn die Geistlichkeit fiel damals nicht unter die niedere Gerichtsbarkeit eines Landrichters. Dem Rentmeister aber oblag die hohe Gerichtsbarkeit. Der Magistrat, die Ministranten stellten sich schützend vor ihren Hirten. Ebenso überliefert ist der lautstarke Protest aus dem Volk zugunsten des Geistlichen. Ob ein päpstliches Dekret aus Rom kam? Schwer zu sagen. Doch wenn, dann hätte es wohl tatsächlich mit dem Fischerring gesiegelt und mit folgenden Worten versehen sein können:
„Eine öffentliche Entschuldigung ist angebracht.“
Wer den Stadtpfarrer kennt, weiß: Er hätte sie nicht verlangt. Aber zu schätzen gewusst hätte er sie allemal.
Spiel und Spaß mit Haltung
Und was die Stadtwache betrifft – im Stadt-Anzeiger kommen sie nicht gut weg. Es sei doch angemerkt: Sie taten, was ihr Amt verlangte. Mit einer Prise Schalk und der Bereitschaft, auch selbst zur Zielscheibe des Spotts zu werden. Wer durch ihre raue Schale schaut, entdeckt bei den Wächtern ein weiches Herz. Und großen Einsatz für das Fest, was selbst der geistliche Herr nicht müde wurde zu betonen.
Was bleibt, ist ein Ereignis, das als einer der Glanzpunkte der »Friedberger Zeit 2025« in Erinnerung bleiben wird. Und ein Bericht, der beim Lesen immer wieder zum Schmunzeln reizte.
Und die Moral von der G‘schicht?
Vielleicht stimmt nicht jedes Detail, was der »Friedbergee Stadt-Anzeiger« da niedergeschrieben hat. Vielleicht ist manches überzeichnet. Aber was zählt, ist der Geist dieser Geschichte:
Eine Gemeinschaft, die zusammensteht.
Junge Menschen, die Courage zeigen. Eine Stadtwache, die letztendlich doch das Herz am rechten Fleck hat. Und ein Stadtpfarrer, der selbst im nassen Gewand aufrecht bleibt.
Oder, wie es der Stadt-Anzeiger so schön formulierte:
„Taumelnd und am Ende seiner Kräfte, aber aufrecht wie jener, der den Siegeskranz davonträgt.“
Wahr war die Geschichte trotzdem – auf die beste Weise:
Im Herzen derer, die dabei waren.
Und im Lächeln derer, die es weitererzählen.