Führung zum 300 Jahre alten Altarbild von Alt-St. Jakob
Ein Fenster ins barocke Friedberg
Ein beeindruckendes Stück Friedberger Stadtgeschichte feiert in diesem Jahr ein außergewöhnliches Jubiläum: Das monumentale Altarbild des Friedberger Barockmalers Johann Reismiller wird 300 Jahre alt. Pünktlich zu diesem Anlass wurde das Meisterwerk aufwendig restauriert und erstrahlt nun wieder in seiner ursprünglichen Pracht.
300 Jahre bewegte Geschichte
Im Jahr 1725 schuf Johann Reismiller das mehr als fünf Meter hohe Altarbild für den Hochaltar der damaligen Stadtpfarrkirche St. Jakob. Es überlebte den verheerenden Kirchturmeinsturz von 1868 und fand schließlich seinen Platz unter der Orgelempore beim Hauptportal der neuen Jakobskirche. Doch die Jahrhunderte hinterließen ihre Spuren: Schmutz, Staub und Ruß verdunkelten das Gemälde, und missglückte Restaurierungsversuche setzten ihm zusätzlich zu.
„Es ist ein Wunder, dass dieses Bild nach all den Jahren überhaupt noch erhalten ist“, sagt Stadtpfarrer P. Steffen Brühl. „Umso größer ist die Freude, dass wir es zum 300-jährigen Jubiläum in neuem Glanz präsentieren können.“
Ein Fenster in die Barockzeit
Das Bild zeigt den Apostel Jakobus, den Stadtpatron Friedbergs, umgeben von einer dynamischen, barocken Szenerie. Besonders beeindruckend ist die Darstellung „der Friedberg“, einer allegorischen Frauengestalt, die für die Stadt steht. Gekleidet in barocken Prunk, mit einer Stadtmauerkrone auf dem Kopf, verkörpert sie den Wohlstand und die Hoffnung, die Friedberg im 18. Jahrhundert nach den Schrecken des Dreißigjährigen Kriegs prägten.
Doch das Bild erzählt auch von den Herausforderungen der Zeit: Zwei Figuren, vermutlich Perseus und Medusa, stehen für den ewigen Kampf Gut gegen Böse – ein Motiv, das in der barocken Kunst gerne für die Überwindung von Leid und Sünde durch Glauben und Moral verwendet wurde. Die Verbindung zur Stadtgeschichte ist deutlich – eine Stadt, die trotz aller Krisen immer wieder neuen Mut fand.
Eine meisterhafte Restaurierung
Die Restaurierung des Gemäldes, durchgeführt von der Restaurierungswerkstätte Reinhard Binapfl aus Friedberg und dem Restaurator Andreas Goetzke, war eine Herausforderung. Es gelang jedoch durch die behutsame Abnahme der teils starken Altverschmutzungen die ursprüngliche Farbigkeit wiederzubeleben.
„Das Gemälde war in einem erschreckend schlechten Zustand“, berichteten die Restauratoren. „Vor allem die alten Eingriffe haben Leinwand und Malschicht stark zugesetzt. Durch präzise Detailarbeit konnte das Meisterwerk wieder stabilisiert und in einen ansprechenden Zustand versetzt werden.“
Einige Spuren der Vergangenheit bleiben jedoch sichtbar: Die Leinwand konnte nicht mehr nachgespannt werden, sodass leichte Wellen und Spiegelungen zurückgeblieben sind. „Diese Unregelmäßigkeiten zeugen von der langen und bewegten Geschichte des Gemäldes“, erklärt Reinhard Binapfl weiter. „Vermutlich stammen die Schäden vom Turmeinsturz 1868. Doch genau das verleiht dem Bild seine einzigartige Authentizität.“
Ein gemeinsames Projekt für Friedberg
Das Projekt wäre ohne das Engagement zahlreicher Unterstützer nicht möglich gewesen. Von der Fotoausstellung „150 Jahre neue Stadtpfarrkirche“, organisiert von den „Bürgern für Friedberg“, flossen die Erlöse in die Finanzierung, und viele Freiwillige trugen durch Geld-, Sach- und Arbeitsleistungen zur Restaurierung bei. „Dieses Projekt zeigt wieder einmal, wie viel in unserer Stadt durch bürgerschaftliches Engagement angestoßen und erreicht wird“, sagt Franz Reißner, einer der Projektinitiatoren.
Ein Jubiläum mit kultureller Verbindung
Nun, da das Bild 300 Jahre alt wird, plant die Stadtpfarrei durch verschiedene Veranstaltungen und Angebote, das Gemälde wieder ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Vor allem der Sommer bietet sich dafür an, denn das historische Altstadtfest „Friedberger Zeit“ erinnert an die Epoche, in der das Altarbild entstand. Diese Verbindung macht das Fest zu einer guten Gelegenheit, das Werk im passenden Rahmen zu präsentieren und erlebbar zu machen. „Das Bild ist wie eine kleine Zeitmaschine“, sagt Stadtpfarrer P. Brühl. „Es versetzt uns zurück ins Jahr 1725, in die Hoffnungen und Sehnsüchte, aber auch in die Sorgen und Befürchtungen der Friedbergerinnen und Friedberger der damaligen Zeit.“
Ein Blick in die Vergangenheit und die Zukunft
Das Altarbild ist mehr als nur Kunst – es ist ein Teil der Geschichte Friedbergs und seiner Identität. Mit der Restaurierung wird nicht nur die Vergangenheit bewahrt, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, aus ihr für die Gegenwart zu lernen.
„Das 300-jährige Jubiläum erinnert uns daran, dass wir Teil einer langen Tradition sind“, sagt Franz Reißner. „Es liegt an uns, dieses Erbe zu bewahren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Denn: ‚Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen‘“, zitiert Reißner den Schriftsteller George Santayana.