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Mehr als ein Fest – ein Zeichen gelebter Gemeinschaft

Ein Beitrag zur Friedberger Zeit 2025 von Pater Steffen Brühl, Stadtpfarrer von Friedberg

Haec praedicatio esse debuisset.

Ein Fest, das verbindet

Wer in diesen Tagen durch die Altstadt von Friedberg schlendert, spürt es sofort: Hier passiert mehr als Folklore. Zwischen barockem Klang, Bratenduft und wallenden Gewändern ist etwas entstanden, das unsere Stadt im Innersten berührt. Ein Lebensgefühl, das nach Leichtigkeit schmeckt – und nach Miteinander.

Die Friedberger Zeit ist kein gewöhnliches Fest. Sie hat etwas, das andere Veranstaltungen oft vermissen lassen: Seele. Sie verbindet – nicht digital, nicht oberflächlich, sondern echt. Von Mensch zu Mensch.

Was an diesen Tagen geschieht, ist bemerkenswert. Denn kaum ein anderes Fest in unserer Stadt schafft es, Menschen aus allen Stadtteilen so zusammenzubringen. Unterschiede, die wir im Alltag gerne pflegen, verlieren während der Friedberger Zeit einen Moment an Bedeutung. Es zählt nicht, wer was verdient oder woher jemand stammt. Es zählt: Wer hilft beim Aufbau. Wer näht Gewänder, wer steht hinterm Tresen. Wer singt, wer musiziert, wer lacht. Wer kommt und macht mit!

Gerade das macht die Friedberger Zeit so stark. Die vielen, die mithelfen. Die Ehrenamtlichen aus den Vereinen. Die Musikerinnen, die Tänzerinnen, die Kinder und Jugendlichen, die Zunftstangenträgerinnen, die verschiedenen Firmen, die Familien, die wochenlang vorbereiten. Und auch viele aus unserer Stadtpfarrei. Ihnen allen gebührt Dank.

Genauso wie all denen, die sich auf diese besondere Atmosphäre der Friedberger Zeit einlassen.

Gelebte Geschichte – gelebte Offenheit

Diese besondere Atmosphäre ist nicht nur Erinnerung an eine längst vergangene Zeit. Sie kommt deshalb auf, weil die Friedberger Zeit eine Bühne schafft für ein Gegenwartserlebnis, das wir alle brauchen. Das Gefühl, dazuzugehören.

Dabei ist es schon eine gewisse historische Ironie. Wir geben während des Festes so viel auf die sogenannte „Historientreue“. Gleichzeitig ist vieles von dem, wie wir heute feiern, im 18. Jahrhundert undenkbar gewesen.

„Einfache Leute“ an einem Tisch mit Honoratioren, Frauen mit selbstbewusster Stimme geben den Ton an, Gläubige verschiedenster Konfessionen feiern unter einem Kirchendach miteinander Gottesdienste, Menschen mit unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen reden miteinander. Was damals als Skandal gegolten hätte, feiern wir heute als gelebte Offenheit. Und das ist gut so.

Was hier entsteht, ist mehr als ein Fest. Es ist ein Funke. Einer, der überspringt. In den Alltag, in unsere Nachbarschaften, in unser Zusammenleben. Darin liegt die „besondere Nachhaltigkeit“ der Friedberger Zeit.

Einladung zur Teilhabe – Verantwortung für Inklusion

Weil dieses Fest etwas Besonderes ist, weil es so eine große Bedeutung für die Stadtgesellschaft hat, haben wir auch eine besondere Verantwortung für das Fest. Die Hürden, Teil der Friedberger Zeit zu sein, müssen so gering wie möglich werden. Ein Fest für alle wird dann zu einem Fest für alle, wenn alle dazu die Möglichkeit haben. Es liegt an uns, unsere Friedberger Zeit inklusiv zu denken, zu planen und zu feiern

Ein Fest für alle, das ist ein Fest für Menschen mit und ohne Behinderung. Für Junge und Alte. Für die, die schon immer in Friedberg leben, und die, die ganz neu hier sind. Für die, die einen tiefen Seckel haben, und solche, die den Thaler dreimal umdrehen müssen. Für die, die jeder kennt, und die, die oft übersehen werden.

Die Friedberger Zeit inklusiv gedacht, das wäre die nächste Stufe, das nächste Level, von dem wir gar nicht so weit entfernt sind. Denn vieles wird schon getan.

Vinzenz Pallotti – der ja während dieser Friedberger Zeit ein Denkmal in unserer Stadt errichtet bekommt – hat einmal gesagt:

„Vernunft und Erfahrung zeigen uns, dass das Gute, wenn es vereinzelt getan wird, für gewöhnlich spärlich, unsicher und von kurzer Dauer ist. Und dass selbst die hochherzigsten Bemühungen der Einzelnen zu nichts Großem führen, wenn sie nicht vereint geschehen und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet sind.“ (St. Vinzenz Pallotti)

Es geht also darum, dass wir den Gedanken der Inklusion zu einer tragenden Säule der Friedberger Zeit machen und uns diesem Ziel vereint verschreiben. Ein so wichtiges Thema darf nicht nur an den Ideen und Initiativen Einzelner hängen, sonst besteht die Gefahr, dass es „spärlich, unsicher und von kurzer Dauer ist“, wie Pallotti sagt.

Teilhabe ist kein Luxus – sondern Maßstab

Es geht um nichts Geringeres als die gesellschaftliche Teilhabe aller. Und die ist kein „Extra“. Sie darf kein Luxus sein, den man sich nicht leisten kann. Gesellschaftliche Teilhabe aller, das ist der Maßstab, den wir auch an die Friedberger Zeit anlegen sollten.

Und deshalb geht es nicht nur um schöne Kulissen und prächtige Gewänder, sondern um Haltung. Darum, wer von Anfang an mitgedacht wird – in Planung, Sprache, Zugängen, Angeboten.

Die Friedberger Zeit zeigt: Es ist möglich. Und es lohnt sich, hier zu investieren. Der Ertrag lässt sich vielleicht nicht in Euro und Cent messen. Aber in einem Pfund, das viel schwerer wiegt. Im Miteinander. Vielleicht ist das der tiefste Sinn dieses Festes.

In diesem Sinne: Möge das, was wir in der Friedberger Zeit erleben, nicht mit dem Abbau der Stände und Buden enden. Möge es nachwirken als Einladung, unsere Stadt auch in Zukunft lebendig, menschlich, friedlich und inklusiv zu gestalten.