Demokratie verteidigen – JETZT !

Am 28. Januar 2024 versammelten sich rund 2.000 Friedbergerinnen und Friedberg, um ein starkes Zeichen für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu setzen.

Die Stadt Friedberg, das Frauenforum Aichach-Friedberg und die Friedberger Stadtpfarrei St. Jakob luden zu dieser Kundgebung ein. 20 Friedberger Organisationen, Vereine und Verbände unterstützten den Aufruf, darunter die Pallottiner, der Caritasverband und die evangelische Gemeinde sowie alle im Stadtrat vertretenen Parteien. 

Wir dokumentieren hier die Rede unseres Stadtpfarrers P. Steffen Brühl SAC während der Kundgebung. 

Danke, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Danke, dass wir heute gemeinsam aufgestanden sind, um dieses klare Zeichen gegen Menschenverachtung und Hass, gegen völkische  und nationalistische Wahnvorstellungen zu setzten.

Als ich von den Correctiv-Enthüllungen in den Medien erfahren habe, dachte ich zunächst an einen bitteren Scherz, an eine entgleiste Satire. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass keine 80 Jahre nach dem Ende des nationsalsozialistischen Terror-Regimes bei uns in Deutschland tatsächlich wieder Deportationen und Massenvertreibungen geplant werden. Wie verquer muss ein Mensch sein, dass er so etwas Grausames und Unmenschliches ernsthaft erwägen kann?

Ich frage mich, wo kommt all der Hass auf die Menschen her, die anders aussehen, andere kulturelle und soziale Erfahrungen mitbringen?

Wie verängstig, wie unsicher, wie verstört muss ein Mensch sein, um andere Mensch so abgrundtief zu hassen und abzulehnen?

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Unser Grundgesetz verpflichtet uns aus gutem Grund zu einem würdevollen Umgang miteinander.

Es steht ganz am Anfang: Artikel 1, Absatz 1, Satz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Die Würde des Menschen zu achten und zu schützen, ist für mich nicht nur Verpflichtung jeder staatlichen Gewalt, sondern jedes Menschen. Das ist der kategorische Imperativ, den wir als Lehre aus unserer Vergangenheit uns selbst auferlegt haben.

Die Achtung und den Schutz der Würde jedes Menschen ist ein moralisches Gesetz, das unbedingt, ausnahmslos und allgemein gilt.

Das ist keine Ansichtssache, darüber kann man nicht verhandeln oder diskutieren. Das ist die Basis unserer Menschlichkeit.

Jeder Mensch hat eine unantastbare, eine unbedingte, eine unverlierbare Würde. Ganz gleich, welches Geschlecht, welche Orientierung, welche Hautfarbe, welche Herkunft, welche Religion, welchen kulturellen oder sozialen Hintergrund etc. etc. ein Mensch hat. Würde hat ein Mensch unbedingt, ohne dass Bedingungen daran geknüpft sind.

Als Christ sage ich: Jeder Mensch hat diese unbedingte Würde, weil er Gottes Abbild ist. Wir alle tragen das Göttliche in uns und das gibt jedem von uns, jedem einzelnen Menschen, diese Würde.

Kein Mensch hat das Recht, die Würde eines anderen Menschen auch nur anzutasten, geschweige denn mit Füßen zu treten, gleich ob gedanklich, verbal oder in der Tat.

Wer über die Deportation von Menschen aus Deutschland phantasiert, weil diese einen anderen ethnischen oder kulturellen Hintergrund haben oder eine andere politische Einstellung, wie man selbst, der verlässt den Boden unseres Grundgesetzes und ist zutiefst unchristlich.

Wer die Würde des Menschen missachtet,  verlässt den Boden der Humanität, der Mitmenschlichkeit.

Mitmenschlichkeit: Offenheit, Toleranz, Vielfalt und Solidarität

Aber genau das soll unsere Gesellschaft ausmachen. Unsere Gesellschaft soll geprägt sein von Mitmenschlichkeit, von Solidarität, von Miteinander.

Ich möchte in einem Land leben, das offen, tolerant, vielfältig und solidarisch ist. Und dieses Zeichen möchte ich heute Nachmittag auch hier in Friedberg setzen.

Offenheit, Toleranz, Vielfalt und Solidarität sind Werte, die auf dem Land genauso gelten wie in der Stadt, im Norden, genauso wie im Süden, im Westen genauso wie im Osten.

Warum ist für manche Menschen so schwer die Freiheit und die Vielfalt der anderen zu ertragen?

Die Vielfalt macht uns als Gesellschaft doch nur noch stärker, interessanter, bunter, lebendiger. Warum sollte ich darauf verzichten wollen?

Wir brauchen keine Angst vor dem anderen zu haben, nur weil er einen anderen ethischen oder kulturellen Hintergrund hat, nur weil sie einen anderen Glauben eine andere Ausbildung eine andere Weltanschauung hat.

Jede und jeder, die/der in Deutschland lebt, und sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, wie sie unser Grundgesetz dargelegt, bekennt, ist hier zu Hause, kann Deutschland mit jedem Recht seine Heimat nennen.

Ich will keine Einheitsgesellschaft, ich will nicht gleichgeschaltet und uniformiert leben müssen. Die Freiheit des anderen ist doch immer auch meine eigene Freiheit. Beschneide ich die Freiheit des anderen, beschneide ich auch meine eigene.

Ich habe das Gefühl, dass viele gar nicht merken, was sich hier in Deutschland zusammenbraut. Dieses braune Gedankengift, das durch unsere Gesellschaft wabert, vergiftet unsere Mitmenschlichkeit.

Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hat vorgestern in einem Beitrag für die Demokratie-Kundgebung in Wien Folgendes geschrieben:

„Ich höre ein Ungeheuer atmen, ich höre, wie der Atem der Demokratie schwächer wird. Ich bin froh, daß Sie alle hier sind und ihr neues Leben einblasen wollen. Ich hoffe, es ist nicht zu spät.“

(Elfriede Jelinek, 26.1.2024)

Ich glaube nicht, dass es zu spät ist. Wenn ich sehe, wie viele Hunderttausende von Menschen in unserem Land aufstehen, gegen die braunen Giftmischer, dann sehe ich, dass unsere Demokratie immer noch atmet. Sie atmet die Luft der Freiheit, der Vielfalt, der Toleranz, der Mitmenschlichkeit und der Solidarität.

Lasst uns das in Friedberg und überall dort, wo wir sind, zeigen: die Demokratie ist uns wichtig und wir geben sie nicht einfach auf. Lasst uns das zeigen, wo immer wir die braunen Parolen hören, egal ob am Arbeitsplatz, unter den Kolleginnen und Kollegen, am Stammtisch, im Freundeskreis, ja sogar in der Familie. Verteidigen wir unsere Demokratie überall, wo sie verächtlich gemacht wird, widersprechen wir laut und schweigen nicht länger.

Veranstalter und Unterstützer der Kundgebung

Veranstalter:

  • Frauenforum Aichach-Friedberg
  • Stadt Friedberg
  • Stadtpfarrei St. Jakob

Unterstützer:

  • Caritasverband Aichach-Friedberg
  • Evangelische Kirche Friedberg
  • FDP Friedberg
  • Bürgerkulturverein
  • CSU Stadtverband
  • TSV Friedberg
  • Ubuntu Verein
  • SPD Friedberg
  • ÖDP Friedberg
  • Aktionsgemeinschaft Lebensraum Lechleite
  • Grüne Friedberg und Kissing
  • Seniorenunion Friedberg
  • Türkischer Bildungsverein-Integrations- und Kulturverein
  • Parteifreie Friedberg
  • SV Wulfertshausen
  • Türkische Gemeinde Friedberg
  • Freie Wähler Friedberg
  • Sportfreunde Friedberg
  • Pallottiner Friedberg
  • Pfadfinder/innen: DPSG und PSG Friedberg